Marokko: Eigener Strom dank Energiewende

06.01.2016 00:00

Das einst mit größten Anstrengungen forcierte Wüstenstromprojekt Desertec ist nur noch eine Fußnote der Geschichte. Mit in Afrika erzeugtem Strom hätten ab dem Jahr 2050 rund 15 Prozent des europäischen Bedarfs an Elektrizität abgedeckt werden sollen. Marokko hat einen anderen Weg beschritten und investiert in die Energiewende zu eigenen Gunsten.

Denn derzeit importiert der nordafrikanische Staat den Großteil des von ihm benötigten Stroms aus Europa. In Summe 95 Prozent stammen aus dem Ausland, was fossile Brennstoffe anbelangt, gar 98 Prozent. Das soll sich in absehbarer Zeit ändern. Auf das Geheiß von König Mohammed VI. soll bis 2020 die Energiewende vollzogen worden sein.

Steigendes Wirtschaftswachstum

Schließlich verbraucht Marokko immer mehr Strom, auch in den entlegenen Teilen des Landes. Dazu kommt das laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) steigende Wirtschaftswachstum: 4,4 Prozent heuer, fünf Prozent nächstes Jahr. Und das bedeute nicht weniger, als dass Marokko in zehn Jahren doppelt so viel Energie benötigen wird wie bisher.

Beim Spatenstich zu den Bauarbeiten für das erste von vier Kraftwerken, Noor I (arabisch für Licht), im Juni 2013 war der König höchstpersönlich anwesend – auch ein Zeichen der Dringlichkeit und Wichtigkeit des Anliegens. Der perfekte Ort wurde dabei schnell gefunden: Ouarzazate, 250 Kilometer südöstlich von Marrakesch gelegen, diente in der Vergangenheit vor allem als Drehort für monumentale Film- und Fernsehproduktionen, vom James-Bond-Film „Der Hauch des Todes“ über „Gladiator“ und „Der Medicus“ bis hin zu „Game of Thrones“.

Durchschnittlich 9,4 Sonnenstunden

Doch weniger die malerische Wüstenlandschaft des 100.000-Einwohner-Orts sorgte für den Zuschlag, sondern vielmehr wissenschaftliche Fakten. Mit durchschnittlich 9,4 Sonnenstunden täglich (oder 2.500 Kilowattstunden Solarstrahlung pro Quadratmeter und Jahr), so das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR), ist Ouarzazate ausgezeichnet geeignet für einen Solarkomplex dieser Größenordnung. Anstatt wie in Europa vorwiegend auf die Photovoltaikmethode zu setzen, kommen hier auch ein Turmkraftwerk und Parabolrinnentechnik zum Einsatz.

Besagte Parabolspiegel sind rund sieben Meter hoch und drei Meter breit und entsprechend eindrucksvoll, vor allem wenn es sich wie hier um 537.000 Stück in 400 Reihen zu 300 Metern Länge handelt. 160 Megawatt Leistung werden so auf einer Fläche von 35 Fußballfeldern erzeugt. Ist die komplette Anlage fertiggestellt, erstreckt sie sich über 3.000 Hektar – das entspricht 4.200 Fußballfeldern.

Lob von der UNO

All diese scheinbare Gigantomanie dient allerdings nicht allein ihrem Selbstzweck. 42 Prozent des Strombedarfs sollen bis 2020 durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Zum Vergleich: Das viel wohlhabendere Großbritannien strebt für den gleichen Zeitraum 30 Prozent an, so die BBC. Kein Wunder also, dass Marokkos Ambitionen seitens der UNO in höchsten Tönen gelobt werden.

Unabhängigkeit kostet allerdings. Bis die vier Kraftwerke in Betrieb genommen werden können, werden 2,2 Milliarden Euro Kosten angefallen sein. Hauptgeldgeber sind laut „Zeit“ die Weltbank sowie die Europäische und die Afrikanische Entwicklungsbank.

Internationale Arbeitsbedingungen

Dabei richten sich die Arbeitszeiten und -bedingungen nach den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (Ilo). Mehr als 1.500 von 1.800 Arbeitern auf den Baustellen sind Marokkaner. Immerhin arbeiten sie im Gegensatz zu den einstigen Plänen von Desertec nicht für das ferne Europa, sondern für nachhaltigen Strom im eigenen Land.

ORF.at

Bildquelle: trekking-marokko.de